Ein neues Schuljahr steht bevor. Für viele Kinder ist es der Start ins Kindergarten- und Schulleben. Schulthek, Chindsgitäschli, Leuchtgurt für den Schulweg und Znüniböxli sind bereit. Nun stellt sich die Frage, was den Kindern in die Znüniböxli gelegt werden darf. Diese nicht unwesentliche Frage löst immer wieder Ärger aus. Die Eltern nehmen für sich in Anspruch, dass sie wissen, was ihr Kind braucht und gerne hat, die Schule ihrerseits pocht auf «gesunde Znünis». Wem steht nun wirklich das Entscheidungsrecht zu, womit eine Znünibox befüllt werden darf?
Die Schule wünscht gesunde und möglichst keine zucker- und fetthaltigen Znünis. Dieser Wunsch ist legitim und stösst grundsätzlich nicht auf Widerspruch bei den Eltern. Denn die meisten Eltern bemühen sich, ihre Kinder bewusst gesund zu ernähren. Früchte, Gemüse, Getreide-Crackers in verschiedenen Geschmacksrichtungen, Trockenwürstchen, etc. sind gängige Znünis für Kindergarten und Schule und rufen in der Regel keine Diskussionen hervor. Die beliebten Getreideriegel hingegen fallen aus der Sicht der Schule unter die unerwünschten Znünis. Und bei den Früchten gelten Bananen als verbotene Früchte. Kuchen, Schoggibrötli, Schoggistängeli oder Pommes Chips sind vollends verboten. Ein Stück Kuchen ist nur erlaubt, wenn der Geburtstag eines Kindes gefeiert wird.
In den Kindergärten wird in der Regel der Znüni gemeinsam eingenommen. Diese Znünikultur ist bedeutsam. Sie führt aber auch zu einer genauen Kontrolle, was die einzelnen Kinder mitbringen und essen. Bringt ein Kind etwas mit, das «nicht erlaubt» wäre, wird das sofort bemerkt. Nicht selten darf dann das betreffende Kind den «verbotenen» Znüni nicht essen und muss ihn wieder einpacken. Das führt unweigerlich zu Ärger bei den Eltern. Für sie ist das ein unberechtigter Eingriff der Schule in die Elternrechte. Bananen gelten als verboten, weil diese zu süss seien. Eltern ärgern sich über eine solche Argumentation, weil andere (erlaubte) Früchte mindestens so zuckerhaltig und süss sind wie Bananen.
Viele Lehrpersonen sind sich nicht bewusst, dass sie Znünivorschriften erlassen haben. Darauf angesprochen reagieren sie meist erstaunt. Sie behaupten, nur Empfehlungen abgegeben zu haben. Kindergartenkinder können jedoch Empfehlungen nicht von Geboten oder Verboten unterscheiden. Für sie ist eine Empfehlung der Kindergarten-Lehrperson, möglichst keine Bananen mitzubringen, schlicht ein Bananenverbot. Wenn ein Kind gar einen Znüni nicht essen darf und wieder einpacken muss, ist dies nicht nur für das Kind, sondern auch für die Eltern ein echtes Verbot.
Wie ist nun die Rechtslage?
In der schweizerischen Rechtsordnung regelt das bundesrechtliche Zivilgesetzbuch (ZGB) das Verhältnis zwischen Kind und Eltern. Das ZGB auferlegt den Eltern das Recht und die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen und deren «körperliche, sittliche und geistige Entfaltung zu fördern und zu schützen». Gemäss Art. 301 Abs. 1 ZGB treffen die Eltern die nötigen Entscheidungen. Das Erziehungsrecht über die Kinder liegt somit vollumfänglich bei den Eltern. Vernachlässigen diese ihre Pflichten gegenüber den Kindern, müssen sie mit Interventionen der Kindesschutzbehörde (KESB) rechnen.
Der Schule obliegt in erster Linie der Bildungsauftrag. In allen kantonalen Volksschulgesetzgebungen wird der Schule auch ein Erziehungsauftrag zugestanden. Dieser steht jedoch immer nur ergänzend zum elterlichen Erziehungsauftrag.
Als Zwischenfazit steht fest, dass die Eltern und nicht die Schule Entscheidungen über die Erziehung treffen. Die Schule kann bei Erziehungsfragen höchstens unterstützend oder evtl. warnend wirken.
Es ist anerkannt, dass die Ernährung ein Teil der Erziehung ist. Die Eltern entscheiden, wie die Kinder ernährt werden sollen. Die Art der Ernährung fällt auch unter das in der Bundesverfassung verankerte Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Bundesverfassung). Grundrechte dürfen nicht ohne weiteres eingeschränkt werden. Hierfür braucht es eine gesetzliche Grundlage (Art. 36 Bundesverfassung). Wenn Schulen für die Kinder rechtsgültige Znünivorschriften erlassen möchten, bräuchten sie hierfür in ihrer kantonalen Volksschulgesetzgebung eine Rechtsgrundlage. Weder der Kanton Zürich, noch die Kantone St. Gallen und Thurgau und sicher auch alle andern Kantone haben keinerlei Bestimmungen für Znünivorschriften erlassen. Somit fehlt den Lehrpersonen das Recht auf Einschränkungen in den Znüniböxli.
Das alleinige Entscheidungsrecht über die Znünibox liegt bei den Eltern
Das Entscheidungsrecht, was in die Znünibox eines Kindergarten- oder Schulkindes gehört, liegt also eindeutig und allein bei den Eltern. Znünivorschriften seitens der Schule wären nur zulässig, wenn der mitgebrachte Znüni durch den Verzehr einen unverhältnismässigen Säuberungsaufwand und somit eine Störung des Unterrichts verursachen würde. «Bananenverbote» oder «Getreideriegelverbote» etc. hingegen bleiben rechtswidrig und sind nicht zulässig.
Den Lehrpersonen ist aber die gute Absicht zu attestieren, dass eine gesunde Ernährung wichtig ist. Zudem ist insbesondere im Kindergarten der Znüni eine relevante Sequenz des Unterrichts. Es ist darum verständlich und konsequent, wenn auch in dieser Phase auf die Gesundheit geachtet wird. Um dieses Ziel zu erreichen dürfen aber nicht Verbote und Vorschriften erlassen werden, die die Elternrechte verletzen. Vielmehr ist die Zusammenarbeit mit den Eltern gefragt. Diese zeigen sich in der Regel offen für Empfehlungen und Bitten der Lehrpersonen.
Kinder nicht unnötigen Spannungen zwischen Schule und Elternhaus aussetzen
Kein Kind nimmt gesundheitlich Schaden, wenn es zum Znüni hin und wieder einen Getreideriegel oder eine Banane anstatt eines Stücks Gurken, Rüebli oder Apfel oder einiger Getreide-Crackers isst. Aus der Sicht der Kinder sind jedoch unrechtmässige Znünivorschriften, die die Eltern ärgern, eine besondere Belastung. Diese Kinder stehen dann buchstäblich zwischen den Fronten. Sie dürfen solchen unnötigen Spannungen nicht ausgesetzt werden.
Wenn ein Kind täglich einen «ungesunden» Znüni mitbringt, soll dies mit den Eltern besprochen werden. Würde das Mitbringen von ungesunden Znünis in der Klasse zur Belastung werden, könnte dies auch anlässlich eines Elternabends thematisiert werden.
Verpflegung durch die Schule muss gesund sein
Anders verhält es sich, wenn die Schule die Verpflegung anbietet. In dieser Situation ist die Schule in der Regel explizit verpflichtet, gesunde Produkte anzubieten. Es ist darum völlig legitim, wenn die Schule bei Pausenkiosken junkfoodmässige Produkte verbietet. Auch die Mittagstische müssen auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung der Kinder achten. Die Schule muss dabei auch wichtige religiös motivierte Ernährungsprinzipien der Eltern, wie z.B. kein Schweinefleisch, oder Diätvorschriften bei gesundheitlichen Gefährdungen beachten.